ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz- und Leittechnik. Die 5 wichtigsten Arten der Sternpunktbehandlung sind das spannende Thema unserer neuen Beitragsserie. Wir beginnen in diesem Beitrag mit dem isolierten Netz. Du kannst den Beitrag als Video sehen (einfach in das folgende Video klicken) oder Du kannst den gesamten Beitrag lesen (unterhalb des Videos). Los geht's:
Die Sternpunktbehandlung eines Netzes hat keinerlei Einfluss auf die Übertragung der elektrischen Energie, solange sich das Netz im fehlerfreien Zustand befindet. Warum ist die Sternpunktbehandlung dann überhaupt so wichtig, dass wir hier darüber reden müssen und sogar ganze Fachtagungen allein diesem Thema gewidmet werden?
Neben vielen weiteren Aspekten ist es vor allem die Verfügbarkeit des betreffenden elektrischen Netzes, welche von der Wahl der Netzform in ganz besonderem Maße abhängt. Wenn es um die Ausfallraten aufgrund von fehlerbedingten Abschaltungen geht, dann ist es ein diametraler Unterschied ob wir uns in einem niederohmigen oder in einem gelöschten Netz befinden. Darüber hinaus sind es viele weitere Fragen die in die Wahl der Sternpunktbehandlung mit einfließen.
🌐Welche Spannungsbeanspruchung tritt im Fehlerfall ein?
🌐Wie sieht es mit der Wahrscheinlichkeit von Folgefehlern aus?
🌐Wie können Überspannungen und Kippschwingungen vermieden werden?
🌐Wie verhält sich die Schritt- und Berührungsspannung im Bereich der Fehlerstelle?
🌐Wie ist die Größe von Fehlerströmen in den Griff zu bekommen?
🌐Kann das selbstständige verlöschen von Erdschlüssen mit der Wahl der Netzform beeinflusst werden?
und wie sieht es eigentlich mit der Wirtschaftlichkeit des erforderlichen Netzaufbaus aus?
In unserer Beitragsserie schauen wir uns nach und nach die 5 wichtigsten Arten der Sternpunktbehandlung an und beginnen in der heutigen Folge mit dem isolierten Netz.
Das isolierte Netz
In einem isolierten Netz werden die Sternpunkte aller vorhandenen Generatoren, Transformatoren und Sternpunktbildner nicht geerdet (Abbildung 1 und 2). Selbst wenn ein Generator über einen Sternpunkttrafo mit Erde verbunden sein sollte, handelt es sich immer noch um ein isoliertes Netz, da aufgrund des hohen Scheinwiderstandes keine wirksame Erdverbindung entsteht.
Die Spannungen
Wenn sich nun ein einpoliger Fehler gegen Erde ereignet, wir sprechen hier von einem Erdschluss, geht spannungsmäßig die Post ab.
Zunächst gibt es einen, im Millisekundenbereich liegenden, transienten Ausgleichsvorgang und die beiden vom Fehler nicht betroffenen Außenleiter steigen im Anschluss auf einen stationären Betrag in Höhe der verketteten Spannung an. Das heißt: Die Beträge der Leiter-Erd-Spannungen der gesunden Phasen steigen um das √3-fache. Dieses Anstiegsverhältnis bezeichnen wir als Erdfehlerfaktor. Ist dieser größer als 1,4 sprechen wir von einem nicht wirksam geerdeten Netz, ist er kleiner haben wir ein wirksam geerdetes Netz vor uns.
In unserem isolierten Netz steigt die Spannung der gesunden Außenleiter stationär auf den 1,73-fachen Wert vor Erdschlusseintritt und wir befinden uns damit in einem nicht wirksam geerdeten Netz.
Wenn der Erdschluss nun nicht im ersten Spannungsnulldurchgang verlischt und stattdessen aufgrund der wiederkehrenden Spannung im Lichtbogenkanal mehrfach neu zündet, sind Wanderwellen die Folge, welche eine zusätzliche Beanspruchung der Isolation des Netzes mit sich bringen.
Damit wird ein wesentliches Merkmal des isolierten Netzes offensichtlich. Aufgrund der hohen Beanspruchungen durch die netzfrequente und stationäre Spannungsüberhöhung in den gesunden Leitern und durch ggf. zusätzlich intermittierendes Verhalten im Erdschlussfall, besteht im isolierten Netz eine vergleichsweise hohe Wahrscheinlichkeit für einen Folgeerdschluss. Dieses Ereignis wird von uns Schutztechnikern liebevoll als Doppelerdschluss bezeichnet.
Die Ströme
Strommäßig ist im isolierten Netz nicht so viel los. Aufgrund der Leiter-Erd-Kapazitäten kommt der kapazitive Erdschlussstrom Ic über die Fehlerstelle zum fließen.
Seine Größe steht in linearer Abhängigkeit zur Ausdehnung des Netzes und damit zur Größe der vorhanden Erdkapazitäten. Je größer das Netz umso größer der kapazitive Erdschlussstrom.
Damit ein gezündeter Lichtbogen selbständig erlöschen kann, darf die sogenannte Löschgrenze nicht überschritten werden. Wo diese Löschgrenze genau verläuft, lässt sich nicht universell bestimmen, da sie nicht nur von der Größe des Stromes sondern auch von der Spannungsebene und Steilheit der wiederkehrenden Spannung abhängt. In Mittelspannungsnetzen mit dominierendem Kabelanteil sollte der Strom über die Fehlerstelle auf maximal 60 A begrenzt werden. Machen wir ein Beispiel und gehen von einem 20 kV VPE Kabel mit 120 qmm Querschnitt aus, welches einen kapazitiven Erdschlussstrom von etwa 2,5 A je Kilometer liefert. Die maximal zulässige Kabelausdehnung liegt in unserem Beispiel bei 24 km.
Aus diesem Grund kommt das isolierte Netz in Deutschland und in Österreich vor allem innerhalb von Generatorblöcken und in kleineren Industrie- und Eigenbedarfsnetzen mit geringer Ausdehnung und daraus resultierend geringen kapazitiven Erdschlussströmen zur Anwendung und hat eine Verbreitung von unter 10 %. Eine Ausnahme machen hier unsere Freunde und Kollegen aus der Schweiz, die über 70 % ihrer Mittelspannungsnetze im isolierten Netz betreiben.
Was passiert nun, wenn wir die Sternpunkte unseres Netzes nicht isoliert ausführen sondern widerstandslos leitend mit der Erde verbinden?
In diesem Fall sprechen wir von der starren Erdung, welche wir im nächsten Teil vorstellen.
Für alle die es ganz genau wissen wollen, bieten wir ein zusammenhängendes Tiefenseminar an. Unser Training "Sternpunktbehandlung und Erdfehlerschutz" findet Ihr hier.
Wenn Ihr Ideen, Anregungen und Vorschläge habt dann bitte kurze Mail an: info@engineering-academy.online